ADHS, Autismus & co: neurobiologische Entwicklungsstörungen
ADHS, Autismus und ihnen Naheliegende Problematiken sind neurobiologische Entwicklungsstörungen denen eine hohe genetische Komponente bei ihrer Entstehung zugeschrieben wird. Ihre Auffälligkeiten haben mit der Funktionen des Zentralnervensystems zu tun. Der Beginn der Auffälligkeiten liegt in der frühen Kindheit. Der Verlauf ist eher konstant. Man geht davon aus, dass neurobiologische Störungen zwar behandelbar, aber nicht heilbar sind.
Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit bei Kindern sind eine der häufigsten Vorstellungsgründe bei Spezialisten. Manche Kinder weisen extremere Ausprägungen dieser Symptome als ihre Altersgenossen auf. Um von einem einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sprechen zu können, müssen sich die Symptome in mindestens zwei Kontexten zeigen. Beziehungsschwierigkeiten mit Bezugspersonen oder Gleichaltrigen, häufige Verletzungen oder riskantes Verhalten sind Folgeprobleme, die ein weiteres Kriterium zur Stellung dieser Diagnose sind. Durch die hohe Impulsivität handeln sie in sozialen Situationen häufig störend. Sie haben Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit bei Aktivitäten aufrecht zu halten, reagieren nicht auf Anweisungen oder können diesen nur unzureichend folgen. Sie werden leicht von äußeren Reizen abgelenkt oder haben Probleme abzuwarten. Die Hyperaktivität führt dazu, dass sie auch für einen kurzen Zeitraum nur schwer sitzen bleiben können, wie getrieben wirken, besonders laut sind oder viel reden.
Inzwischen ist es wissenschaftlicher Konsens, dass eine Stellung der Diagnose bereits mit drei Jahren möglich ist. Eine der wichtigsten Therapiemaßnahmen bei jungen Kindern ist die sorgfältige Aufklärung der Bezugspersonen über das Störungsbild. Es soll verhindert werden, dass Eltern/Bezugspersonen den Kindern gegenüber ungünstige Schuldzuweisungen oder unrealistische Erwartungen ausdrücken. Diese haben folgen wie Selbstwertprobleme, Aggressionen oder können zu einer depressiven Entwicklung beitragen. Zudem erfahren die Bezugspersonen in der Therapie, wie sie ihrem Kind helfen können, sich besser zu steuern und trotz der Probleme neue Fertigkeiten zu entwickeln.
Auch jüngere Kinder zeigen extreme und anhaltende Symptome von Überaktivität und Impulsivität über das alterstypische Maß hinaus. Dann liegt möglicherweise eine Überaktivitätsstörung des Kleinkindalters (ÜASK) vor. Die Kinder sind kaum in der Lage sich mit anderen Menschen auch nur eine kurze Zeit ein Buch anzuschauen, sich gemeinsam auf ein neues Spielzeug zu konzentrieren oder zusammen ein Lied zu singen. Die Erwachsenen können kaum ein Gespräch führen ohne unterbrochen zu werden. Die Kinder erklettern häufig jeden Gegenstand der sich ihnen bietet oder neigen zum Weglaufen. Auch hier sind Anleitung und Beratung der Eltern eine wichtige Maßnahme, um die Entwicklung der Kinder zu fördern und die häufig hohen Belastungen in der Familie zu reduzieren.
Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist durch eine schwere Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie durch repetitive und restriktive Verhaltensweisen gekennzeichnet. Dabei ist die Erscheinungsform der Problematik bei den Kindern sehr unterschiedlich. Bei sehr jungen Kindern fällt häufig als erstes eine Sprachentwicklungsverzögerung oder eine bizarre Form der Kommunikation auf. Die Kinder lassen sich kaum auf wechselseitige Spiele ein (z.B. Kuckuck), suchen Kontakt zu Bezugspersonen, wenn sie einen "Handlanger" benötigen und haben mimisch ein eingeschränktes Repertoire. Manche Kinder leiden stark unter einem für andere Menschen normalen Maß an sensorischen Reize (sie reagieren stark auf Geräusche, Lichter, Reizen auf der Haut oder Gerüchen). Andere zeigen ungewöhnlich wenig Resonanz bei diesen Reizen oder beschäftigen sich intensiv mit sensorischen Teilaspekten von Gegenständen (z.B. Teppichfransen, Drehen von Rädern eines Spielzeugautos). Repetitive und restriktive Verhaltensweisen können besondere Rituale, Routinen oder das intensive Festhalten an einem ungewöhnlichen Thema sein.
Das Bild der ASS ist sehr vielfältig und kann mit und ohne Sprachentwicklungsverzögerung oder globaler Entwicklungsverzögerung ("geistiger Behinderung") auftreten. Auch das sogenannte Asperger-Syndrom ist in dieser Störungsgruppe enthalten, wird aber immer seltener so bezeichnet. Hinzu kommen atypische Varianten der ASS, die durch das Fehlen bestimmter Kriterien oder eine fehlende Beurteilbarkeit (z.B. durch das Alter des Kindes) gekennzeichnet sind. Bei einem Verdacht auf eine Form der ASS ist eine möglichst frühe Vorstellung unerlässlich. Eine erste Einschätzung des Verdachts kann im Onlineformat möglich sein. Eine endgültige Diagnosestellung sollte üblicherweise in einem Fachzentrum oder bei einem spezialisierten Facharzt vor Ort vorgenommen werden. Eine therapeutische Begleitung kann online durchaus wieder möglich sein.
Wenn Kinder in verschiedenen Entwicklungsbereichen, einschließlich des verbalen und nicht verbalen logischen Denkens ausgeprägte Defizite haben, sprechen wir von einer Globalen Entwicklungsverzögerung. Diese schließt ein unterdurchschnittliches Niveau der Problemlösefertigkeiten, der Sprachentwicklung, der sozialen und der motorischen Fähigkeiten ein. Die Gründe für eine solche globale Entwicklungsverzögerung können vielfältig sein. Heute sprechen wir nicht mehr von einer "geistigen Behinderung", da die Möglichkeiten der Plastizität und Entwicklung herausgestellt werden sollen. Die Feststellung dieser Problematik zu einem frühen Zeitpunkt ist wichtig, um die passenden Fördermaßnahmen einleiten zu können und eine Orientierung für eine passende Beschulung zu bekommen. Die Problematik geht einher mit einem deutlich erhöhten Risiko für Verhaltensstörungen, die oftmals einer verhaltenstherapeutischen Behandlung bedürfen.
Störungen der Sprachentwicklung können im Rahmen an anderer Stelle beschriebener Schwierigkeiten auftreten oder eine isolierte Problematik darstellen. Wir unterscheiden zwischen Defiziten im Sprachverständnis und im Sprachausdruck. Eine differenzierte Diagnostik ist unbedingt notwendig, um adäquate Unterstützung leisten zu können. Die hier angesprochenen Defizite setzen eine normale Hörfähigkeit voraus. Störungen im sprachlichen Ausdruck führen häufig zu Verhaltensproblemen wie Aggressionen und Wutausbrüchen. Diese Probleme können sich verbessern, wenn das Kind lernt, seine Bedürfnisse direkt auszudrücken. Umgekehrt passen sich manche Kinder ihren sprachlichen Verzögerungen an, indem sie scheuer und zurückgezogener werden. Manche Kinder machen die Erfahrung eines extrem beängstigenden oder erschreckenden Ereignisses. Wie zum Beispiel körperlicher oder sexueller Misshandlung, Gewalt in der nahen Umgebung, kriegerische oder terroristische Ereignisse, Naturkatastrophen oder auch bei schmerzhaften medizinischen Ereignissen. Die Traumaerfahrung kann zu unterschiedlichen Symptomen in den Gefühlen, dem Erleben und seinem Verhalten führen. Häufig gibt es eine Art des Wiedererlebens des traumatischen Ereignisses, eine stark erhöhte Erregung und extremes Leid bei Erinnerung an das Trauma. Einige Kinder erstarren und sind für einige Zeit unempfänglich gegenüber Reizen aus der Umwelt. Die Störung ist unbedingt behandlungsbedürftig.
Soziale oder emotionale Vernachlässigung oder der häufige Wechsel von Bezugspersonen führt bei Kindern häufig zu schweren Beziehungsstörungen. Die Deprivationserfahrung führt dann zu extremen emotionalem Rückzug oder völlig ungehemmten, distanzlosen Verhaltensweisen.